4.1.2 Anthrachinon
Anthrachinon wurde als Mittel zur Abwehr von Vögeln nach der Aussaat und zur Beizung des Saatguts – beispielsweise Mais – eingesetzt. Die EU-Kommission entzog jedoch am 20. Januar 2009 auf Empfehlung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) Anthrachinon die Zulassung als Pflanzenschutzmittel. Gemäß EFSA können Gefahren für den Verbraucher nicht ausgeschlossen werden und auch das IARC stuft Anthrachinon als möglicherweise krebserzeugend (Kategorie 2b) ein. Dies ist insbesondere auf seine Metaboliten (1-Hydroxyanthrachinon und 2-Hydroxyanthrachinon) zurückzuführen.
Anthrachinonderivate kommen in geringer Konzentration jedoch auch natürlich vor und sind die Wirkstoffe diverser pflanzlicher Abführmittel: Rhabarberwurzel, Faulbaumrinde, Kap-Aloe, Sennesblätter und Kreuzdornbeeren. In der Textilindustrie werden Anthrachinonderivate zudem zum Färben von Stoffen verwendet. Lange Zeit wurde Anthrachinon außerdem in der Papierproduktion eingesetzt; es darf aber seit 2013 nicht mehr für Lebensmittelkontaktmaterialien Verwendung finden. (177) Für das Vorkommen von Anthrachinon in Lebensmitteln gelten zurzeit folgende Höchstwerte: Für Nüsse, Kräuter, Gewürze, Tees und Ölsaaten 0,02 mg/kg, für alle übrigen Lebensmittel 0,01 mg/kg. (178)
Trotz der Verbote wurden in bestimmten, zumeist getrockneten Lebensmitteln und Tees in den letzten Jahren immer wieder Anthrachinon-Rückstände nachgewiesen. Es wird daher vermutet, dass Trocknung und Räucherung die wichtigsten verbleibenden Quellen für Anthrachinon-Rückstände sind. (178) Das Schweizerische Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV schreibt in einer Evaluation der Risiken im Zusammenhang mit geräuchertem Fisch – Inspektionen und Analysen vom 14.12.2020: „Dass Rückstände von Anthrachinon in Tee und getrockneten Pilzen nachgewiesen wurden, lässt vermuten, dass es bei Trocknungsprozessen in Lebensmittel gelangt. Anthrachinon entsteht bei der unvollständigen Verbrennung von organischem Material und lässt sich in geräucherten Lebensmitteln wie Fisch nachweisen.“
In diesem Zusammenhang kann Anthrachinon auch als PAK bewertet werden, denn es entsteht bei der unvollständigen Verbrennung von organischem Material, unter anderem Holz, welches auch zur Trocknung von Teeblättern verwendet wird. Über Verwehungen können aber auch aus anderen Verbrennungsprozessen – auch Waldbränden – PAK über teils weite Strecken verbreitet werden, weshalb sich eine 100-prozentige Reinheit kaum erreichen lässt. (130) Dies bestätigen sowohl eigene Untersuchungen, als auch verschiedene Tests von Verbraucherorganisationen wie Stiftung Warentest, Ökotest oder des Magazins Saldo aus der Schweiz. (178,179) Die 27 Schwarztees, welche im Jahr 2014 von Stiftung Warentest untersucht wurden, enthielten alle den Stoff Anthrachinon mit Werten von 0,006 bis 0,076 mg/kg. Zwei Produkte überschritten den in der EU geltenden Höchstwert. Auch Bio-Produkte schnitten im Vergleich eher schlecht ab. Im Auftrag von Saldo wurden im Februar 2016 die 16 meistverkauften Schwarztees in der Schweiz auf ihren Gehalt an Anthrachinon untersucht. Rückstände wurden in 15 der 16 Schwarztees gefunden. Noch deutlicher fällt eine Untersuchung von Ökotest an 14 Matetees aus: Die sowohl aus konventioneller als auch ökologischer Landwirtschaft stammenden Tees überschritten in 85% der Fälle die Höchstmengen an Anthrachinon.
Auf seiner Webseite veröffentlichte das Prüfinstitut Chemische Analytik GmbH, Berlin, folgende Stellungnahme zu Anthrachinon im Tee: „2015 hat uns der führende Produzent von hochwertigem Bio Darjeeling Tee, […] beauftragt, die Herkunftsquellen für AQ zu lokalisieren. Anhand der ausführlichen Beprobung und Analyse des Tees und dessen Umgebung inkl. unterschiedlichen Pflanzenteile, Boden, Staub, Luft sowie der Dünger und Stärkungsmittel im Anbau bis zu den Einzelschritten in der Produktion sollte festgestellt werden, ab wann und wo der signifikante Zuwachs der Befunde an AQ stattfindet. Wir konnten sicher nachweisen, dass ein Teil der Kontamination bereits aus der Umwelt (globale Umweltverschmutzung) kommt. Ein anderer Teil kommt aus der Produktion und wird vor allem während der Hitzeerzeugung durch Kohleverbrennung gebildet.“
Es sei an dieser Stelle aber auch darauf hingewiesen, dass Anthrachinon nur zum Teil beim Aufgießen von Tee in das Wasser übergeht, während es bei anderen Lebensmitteln vollständig verzehrt wird. Hier ist insbesondere auf die nicht selten gefundene, erhebliche Belastung von Anthrachinon und PAK in geräucherten Fischen hinzuweisen.
Mehr zu Pestiziden allgemein, den gesetzlichen Vorgaben und Belastungen in Lebensmitteln, Superfoods, Tees sowie Nahrungsergänzungen finden sie in Kapitel 4.