Neuer Kunde? Starten Sie hier.
  1. Erneut bestellen
  2. Bestellstatus
  3. Bestellung ändern
  4. Rücksendung, Reklamation
  5. Kontaktieren Sie uns

25.1.4 Schutzgase / Modified Atmosphere Packaging (MAP)

Als „Modified Atmosphere Packaging“, kurz MAP, wird diese in Deutschland seit etwa 20 Jahren gebräuchliche Technologie zur Verlängerung der Haltbarkeit bezeichnet. Hierbei werden Lebensmittel bei der Endverpackung begast und somit bis zur Öffnung durch den Verbraucher in eine mehr oder weniger abgeschlossene Atmosphäre aus Schutzgasen gebracht. Auch für Tees, Kräuter und Nahrungsergänzungsmittel, vor allem in pulverisierter Form, bietet sich diese Lösung zum Schutz vor einer vorschnellen Oxidation der Wirkstoffe an. (716,717) Als Schutzgase werden dabei ausschließlich Gase verwendet, die natürlicherweise auch in der Atmosphäre vorkommen. Überwiegend handelt es sich um Stickstoff, Kohlendioxid und Sauerstoff – allerdings in veränderten Gewichtsanteilen. Das vorrangige Ziel dieser Technologie ist es, den Sauerstoffgehalt zu verringern und hierüber das Wachstum von aeroben Bakterien und Schimmelpilzen einzudämmen sowie Oxidationsprozesse zu verlangsamen. (718) Während unsere Atemluft üblicherweise aus ca. 21 % Sauerstoff, 0,4 % Kohlendioxid und 78 % Stickstoff besteht, wird bei Schutzgasen der Sauerstoffgehalt meist deutlich auf unter 5 % reduziert. Zudem besitzt Kohlendioxid ab 20 % Gewichtsanteilen aktive antibakterielle Eigenschaften, da es sich dann im Lebensmittel löst. Dies gilt allerdings nur bei konstant niedrigen Temperaturen – idealerweise von unter 2 °C –, weshalb auf den Verpackungen der Aufdruck “bei + 2 °C zu verbrauchen bis ...” abgedruckt wird. Schon bei Temperaturen um die 4 °C, wie sie üblicherweise maximal in Kühlgeräten vorliegen, verkürzt sich die angegebene Haltbarkeit um etwa die Hälfte.

Dies kann als erster Hinweis gesehen werden, dass das im Prinzip sehr natürliche Verfahren an einigen Stellen hinkt. Besonders deutlich wird dies am Beispiel Fleisch. Obwohl diese Thematik in Bezug auf die hier betrachteten Nahrungsergänzungsmittel weniger bedeutsam ist, soll es aufgrund seiner Brisanz kurz Erwähnung finden. Anfang des Jahrhunderts war das Prinzip Schutzgas durch die Möglichkeit, "frische" Fleischprodukte in Supermärkten anbieten zu können, erst besonders populär geworden. Doch schon wenige Jahre später – um das Jahr 2010 – kamen plötzlich heftige Pressediskussionen um das Thema auf. (719) Durch Laborkontrollen war aufgefallen, dass aufgrund einer speziellen Schutzgaszusammensetzung das Fleisch zwar optisch lange “frisch” bleibt, in Wirklichkeit jedoch längst von minderwertiger Qualität ist. Besonders kritisch ist dies beim Garprozess, denn das mit Schutzgas behandelte Fleisch sieht – anders als unbehandeltes Fleisch – schon bei Temperaturen von 50 °C durchgegart aus. Wirksam abgetötet werden potenziell pathogene Keime jedoch erst ab ca. 70 °C. Dem Verbraucher wird also eine Frische vorgetäuscht, die irreführend und im Zweifelsfall gesundheitsgefährdend ist. Nun ist die Begasung von Fleisch tatsächlich ein Sonderfall. Hier werden ausnahmsweise besonders hohe Sauerstoffkonzentrationen eingesetzt. Der Sauerstoff bewirkt durch eine Oxygenierung des Myoglobins, des Muskelfarbstoffes im Fleisch, ein rosiges Aussehen. Gleichzeitig führt der hohe Sauerstoffgehalt aber nachweislich dazu, dass das Fleisch schneller zäh und ranzig wird. (719,720) Es sieht auch dann noch rosig aus, wenn es längst verdorben ist. Zudem bilden sich Cholesteroloxidationsprodukte, die im Verdacht stehen, krebserregend zu sein. Aufgrund der relativ geringen Aufnahmemenge über Fleisch aus sauerstoffangereicherten Verpackungen, vor einer ohnehin bestehenden weltweiten Belastung durch sämtliche cholesterinhaltige Lebensmittel, sieht das BfR jedoch keinen Grund zur Besorgnis. (720)

Auch für frische pflanzliche Lebensmittel ist die MAP-Verpackung nicht grundsätzlich positiv, denn frische pflanzliche Produkte benötigen Sauerstoff zur Zellatmung. Deshalb lässt sich auch hier der Sauerstoff nicht beliebig reduzieren, sondern muss vielmehr konstant bei etwa 5 % gehalten werden. Dies stellt zusätzliche Herausforderungen an die ohnehin schon hochmodifizierten, meist mehrschichtig aufgebauten Verpackungsmaterialien. Für pflanzliche Produkte kommen daher spezielle Folien mit Mikroporen zum Einsatz, mit dem Ziel, einen Gasaustausch entsprechend der Atmungsrate der Pflanzen zu ermöglichen. (718) Laboranalysen zeigen auch in diesem Fall, dass die Verpackung oft nicht das hält, was sie verspricht: Eine Analyse der Stiftung Warentest wies überhöhte Keimzahlen in jeder zweiten Salatpackung nach. (721) Die Industrie sichert sich hier mit dem Vermerk “Vor Verzehr waschen” ab.

Weniger problematisch ist die Anwendung von Schutzgasen bei getrocknetem Pflanzenmaterial, wie z. B. Tees. Diese benötigen im Gegensatz zu frischen Salatblättern keinen Sauerstoff mehr. Hier verhindert Stickstoff als Schutzatmosphäre sehr wirkungsvoll das Wachstum von Bakterien – ohne negative Auswirkungen auf die Produktqualität.

Immer wieder wird bezüglich MAP-verpackten, frischen Lebensmitteln die Sorge vor einer Belastung mit anaeroben Bakterien wie Clostridium botulinum geäußert. (720,722) Es besteht die Gefahr, dass diese zum Teil hochtoxischen Bakterien unter Sauerstoffabschluss besonders gut wachsen und dann zu lebensbedrohlichen Lebensmittelvergiftungen führen. Häufiger allerdings scheinen Verunreinigungen mit aeroben Bakterien durch undichte Verpackungen zu sein. (723) Auch das Auftreten von Shigellen, Salmonellen und Listerien sowie weiterer pathogener Keime sorgte in der Vergangenheit immer wieder für Aufsehen. (724–726)

Ein neueres Phänomen sind antibiotikaresistente Keime, die vermutlich aus der Verwendung der entsprechenden Antibiotika in der Tierfutterindustrie und der Nutzung der tierischen Fäkalien als Dünger resultieren. (727) Hinzu kommt, dass die so verpackten Salate und Gemüsesorten zuvor mit chemisch behandeltem Wasser gewaschen werden. Üblicherweise kommt hier chloriertes Wasser zum Einsatz, das im Verdacht steht, durch den Kontakt zu organischem Material krebserregende Organochloride zu bilden. (723) Zudem weisen zahlreiche Untersuchungen darauf hin, dass die so behandelten Produkte keineswegs ausreichend keimreduziert sind. (723,728)

Weitere antibakterielle Substanzen zum Aufbringen auf Lebensmittelkontaktmaterialien wurden vor allem in Verbindung mit MAP und Schutzgasen getestet. Die Anwendung der meisten dieser Substanzen ist jedoch in Europa verboten.

Für eine Übersicht anderer bedenklicher Substanzen in Verpackungsmaterialien siehe Kapitel 25.

Loading...