14.2 Nutzung gemeinsamer Produktionsstraßen
14.2.1 Anabolika und Prohormone als Cross-Kontaminationen
Unbeabsichtigte, produktionsbedingte Verunreinigungen von Nahrungsergänzungsmitteln sind vor allem aus der Sportlerszene bekannt. Durch hochsensible Dopingkontrollen fielen in der Vergangenheit immer wieder Proben positiv aus, obwohl bewusst keine verbotenen Substanzen eingenommen worden waren. Hierdurch wurde zunehmend bekannt, dass Nahrungsergänzungsmittel mit anabolen oder anderen verbotenen leistungssteigernden Stoffen verunreinigt sein können. In einer Studie der Sporthochschule Köln im Jahr 2004 wurden 634 Nahrungsergänzungsmittel – überwiegend Vitamine, Mineralstoffe und Aminosäuren – untersucht. (399) Etwa 15 % der in 13 verschiedenen Ländern erworbenen Nahrungsergänzungsmittel enthielten geringe Mengen Anabolika, die nicht auf der Packung angegeben waren. Über 75 % der positiv getesteten Proben enthielten dabei Mengen unter 5 µg/g androgene Substanzen bis hin zu einzelnen Proben mit mehr als 100 µg/g. Zum Vergleich enthalten als solche vermarktete Produkte mindestens 10.000 µg Prohormone. Es handelt sich also um Verunreinigungen, die keinen wirklichen Dopingeffekt besitzen, aber unabsichtlich zu positiven Dopingbefunden führen können.
Da die Verunreinigungen überwiegend in Firmen auftraten, in denen auch die entsprechenden Prohormone verarbeitet wurden, kann davon ausgegangen werden, dass diese unbeabsichtigt über gemeinsame Produktionsabläufe in die Nahrungsergänzungsmittel gelangten. Als Ursachen werden die Nutzung gemeinsamer Produktionsstraßen bzw. unzureichende Reinigungen der Produktionsanlagen vermutet. Die Tatsache, dass hauptsächlich Prohormone gefunden wurden, die gängig vermarktet werden – im Fall der oben genannten Studie waren über 60 % der positiv getesteten Produkte mit DHEA verunreinigt –, erhärtet diesen Verdacht. Des Weiteren waren Tabletten und vor allem in Kapseln abgefüllte Produkte im Vergleich zu Pulvern stärker betroffen, was auf die gemeinsame Nutzung von Produktionsstraßen für Tablettierungs- und Verkapselungsvorgänge hinweist.
Neben der viel zitierten Kölner Studie gibt ein Review aus dem Jahr 2017 eine gute Übersicht über insgesamt 23 weitere Studien zu dem Thema verbotener Substanzen – gemäß Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) – in Nahrungsergänzungsmitteln. (400) In den zwischen 2000 und 2017 durchgeführten Studien wurden Kontaminationen mit Prohormonen und/ oder anderen Stimulanzien zwischen 12 und 58 % gefunden.
Dass sich solche Verunreinigungen nicht nur auf Substanzen der Dopingliste beziehen, ist zwar naheliegend, aber leider gibt es hierzu keine umfassenden Untersuchungen. Während Sportler zumindest in der Kölner Liste® eine Aufzählung unabhängig getesteter Produkte finden können – ohne Gewähr, dass neuere Chargen nicht doch verunreinigt sind – bleibt dem Verbraucher in Bezug auf andere Verunreinigungen nur das Vertrauen in den Hersteller. Jeder weitere Zusatzstoff erhöht dabei das Risiko von Kontaminationen. Insbesondere die viel genutzten und aus unserer Sicht bedenklichen Zusatzstoffe Magnesiumstearat oder Siliziumdioxid werden häufig in billigster Qualität eingekauft.
Für eine Übersicht der durch maschinelle Prozesse eingetragene Kontaminanten siehe Kapitel 14.